Das Rittergut Lucklum ist ein kleiner Mikrokosmos – im Mittelpunkt steht das forst- und landwirtschaftliche Gut. Aber nicht nur die Landwirtschaft, auch Kultur, Kirche, Gastronomie, und Freizeiterlebnis haben dort ihren Raum. Heute stellen wir Ihnen in unserer Reihe Dr. Elisabeth Vorderwülbecke vor, die für die Bereiche Historie und Kultur verantwortlich ist.
„Das Rittergut ist kein Museum“
Wenn die Kunsthistorikerin über das Rittergut spricht, dann leuchten ihre Augen. „Ein so einzigartiges Ensemble betreuen zu dürfen, das die Modernisierungswelle der 70er und 80er Jahre relativ unbeschadet überstanden hat, das ist ein absoluter Glücksfall“, freut sich Elisabeth Vorderwülbecke. Die facettenreiche Lucklumer Historie – nicht zuletzt die knapp 550 Jahre dauernde Ära der Deutschordenskommende wie auch die 200 Jahre der Rittergutsfamilien seit 1811 – ist Herausforderung und Chance zugleich“, betont sie.
Gut 70 Führungen über das Rittergut organisiert sie jedes Jahr, zudem kleine Veranstaltungen wie etwa Lesungen oder Vorträge. Und das alles zusätzlich zu ihrer Hauptaufgabe: der Erstellung eines Literatur- und Bildarchivs zur Geschichte des Gutes und des Ortes Lucklum. 2013 startete Elisabeth Vorderwülbecke ihre erste Führung auf dem Rittergut – vor Vertretern des Deutschen Ordens, der als geistliches Institut bis heute existiert. Zuvor war die heute 55jährige unter anderem für die Kunsthalle Kiel und den Museumsberg Flensburg tätig. Seit 2000 mit ihrer Familie in Wolfenbüttel lebend, war sie seit 2001 im Vorstand des Kunstverein Wolfenbüttel aktiv, zuletzt drei Jahre als Geschäftsführerin.
Die besondere Aura erhalten
Ein Glücksfall ist die Kunsthistorikerin umgekehrt aber auch für das Rittergut. Mit ganz viel Liebe zum Objekt, Behutsamkeit, sehr viel Engagement und dem richtigen Gespür für die besondere Aura des Ortes kümmert sie sich nicht nur um Forschung, und Wissensvermittlung, sondern unterstützt zudem das Team unter anderem bei Fragen zur Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes. „Das Rittergut soll dabei nicht konserviert werden wie unter einer Glocke. Es ist auch kein Museum“, betont sie.
Spannende Brüche und Zeitebenen
Das Alte verstehen, damit sich das Neue entwickeln kann. Das ist bei allen Planungen und künftigen Nutzungen entscheidend. „Man muss von der Geschichte, vom Bestand aus denken und konzipieren – zumal das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz steht“, so die Kunsthistorikerin. Bei allen Veränderungen die richtige Balance zu finden, das ist für Elisabeth Vorderwülbecke wesentlich. Die Brüche und damit die Sichtbarkeit der verschiedenen Zeitebenen zu erhalten und zu zeigen, sieht sie als inhaltlichen Mehrgewinn. „Ich möchte, dass das Gut Geschichten erzählt“, sagt die Kunsthistorikerin
Zusammenarbeit ist wichtig
Die Komplexität der Anlage bietet und erfordert viele Forschungsperspektiven und Kooperationsprojekte. So freut sich die Kunsthistorikerin über die Zusammenarbeit des Rittergutes mit der Technischen Universität Braunschweig (TU). 45 Studierende des Bauingenieurwesens und der Architektur beschäftigen sich in diesem Sommersemester mit einem Objekt auf dem Rittergut – unterstützt von ihren Dozenten und Professoren. „Die Studenten lernen wie komplex Bauen im Bestand ist. Das Rittergut profitiert von der Kompetenz und Expertise der TU“, so Elisabeth Vorderwülbecke. Für September ist zudem unter der Leitung der Koldewey Gesellschaft eine Summer School mit Architekturstudierenden geplant, die zwei Wochen lang vor Ort Bauforschung betreiben werden.
Um die Erforschung des Rittergutes machen sich aber auch auf unterschiedlichen Feldern Ortsheimatpfleger Wolfgang Haberland, der Landschaftsarchitekt Kai-Uwe Grahmann oder der Theologe und Kirchenhistoriker Prof. Dr. Johann Anselm Steiger verdient. Ihre Erkenntnisse sowie historische Pläne und Fotos helfen unter anderem dem Kollegen Frank Rohlender vom GutsBauhof sowie beteiligten Architekten bei den Maßnahmen zur Instandsetzung und Weiterentwicklung des Ensembles.
Historie trifft Zeitgenössisches
Auch wenn die Historie des Rittergutes die Grundlage für die Arbeit von Elisabeth Vorderwülbecke ist, schafft sie die Verbindung zu zeitgenössischen Entwicklungen. Wie etwa in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig im vergangenen Herbst als die Klasse Rentmeister eine beeindruckende Ausstellung im Gutshaus realisiert hat – mit viel Respekt für das Raumgefühl des Ortes und hohem kreativen Output. „Es ist schon etwas Besonderes für eine in Privatbesitz befindliche Anlage arbeiten zu dürfen. Und das mit viel Freiraum und Gestaltungsmöglichkeiten, vielfältigen Schnittstellen sowie einem bunten Kollegenteam. Dafür bin ich sehr dankbar.“ An Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Rittergut mangelt es sicher nicht, wie es aussieht. Wir freuen uns schon auf die nächsten Ideen!