Was für ein reges Treiben auf dem Rittergut Lucklum: Insgesamt 29 Kunststudenten der Hochschule für Bildende Künste (HBK) in Braunschweig nebst Professor Thomas Rentmeister und der Lehrbeauftragten Svenja Kreh nehmen seit gestern die gut 20 Räume und damit fast die gesamte Etage des historischen Gutshauses in Beschlag. Auf Einladung der Güterverwaltung Reinau werden sie dort in den nächsten zwei Wochen Arbeiten für die besondere Lokalität schaffen – und diese ab dem 6. November in einer umfangreichen Ausstellung präsentieren.
Das Projekt ist eine Kooperation des Rittergutes Lucklum, vertreten durch Kunsthistorikerin Dr. Elisabeth Dr. Vorderwülbecke, mit der Hochschule für Bildende Künste unter Projektleitung von Professor Thomas Rentmeister, seit 2018 Vizepräsident der HBK, und der Braunschweigischen Landschaft. Finanziell unterstützt wird das Projekt unter anderem von der Güterverwaltung Reinau, dem Freundeskreis der HBK sowie dem Landkreis Wolfenbüttel. Arbeit und Ausstellung stehen unter dem Motto Interiora patent – Das Innere liegt offen. Mit dem Inneren, also den Räumen des Gutshauses, werden sich die Studenten dabei intensiv auseinandersetzen: der noch spürbaren einstigen Anwesenheit der Bewohner, dem Wohnen an sich, der Funktion, Konstruktion und Dekonstruktion von Räumen, dem Nebeneinander von Privatem und Öffentlichen und vielen anderen Facetten des Themas.
Räume, gefüllt mit Informationen aus der Vergangenheit
Zum Motto inspirieren ließ sich die Klasse von Professor Thomas Rentmeister durch eine gleichlautende Inschrift in der Gutskirche in Lucklum. Sie gibt Hinweise auf die Deutung eines emblematischen Bildes am Beichtstuhl: Auf diesem ist ein aufgeschnittener Granatapfel zu sehen, der in der Mitte eines Raumes auf einem großen runden Tisch liegt. „Dieses Motiv aufgreifend werden die Studenten den Süd- Ost- und Westflügel des Gutshauses untersuchen und damit auch auf die Geschichte des Ortes mit künstlerischen Mitteln reagieren“, so Professor Rentmeister. Insbesondere die Zweiteilung zwischen dem Privaten als bisherigem Wohnraum der früheren Gutsfamilien und dem Öffentlichen steht dabei im Vordergrund. „Spuren der Vergangenheit wie der Rittersaal, die Ritteröfen, Fußböden und Wandverkleidungen sind präsent. Obwohl die Räume weitestgehend leer sind, sind sie gefüllt mit Informationen über Menschen, Zeiten, Architektur, Interieur und Dekoration“, erklärt Dr. Elisabeth Dr. Vorderwülbecke.
Die Studenten, die während dieser Zeit zum Teil in Lucklum wohnen, sollen durch die Arbeit außerhalb des White Cube der Museen und Galerien herausgefordert und nicht zuletzt für solche Aufgabenfelder in der Zukunft qualifiziert werden. Die Ausstellung soll darüber hinaus neue Impulse setzen und Perspektiven für die weitere Kulturarbeit im ländlichen Raum entwickeln. „Eine wichtige Intention ist es, mit diesem Pilotprojekt Studierende der HBK sowie die HBK selbst als Institution für weitere Projekte in der Region zu begeistern“, betont Ruth Fischer, beim Landkreis Wolfenbüttel zuständig für die Kulturentwicklung<s>.</s> „Uns ist es wichtig, ein Netzwerk für den ländlichen Raum zu bilden, Strukturen nachhaltig zu entwickeln, die ganz eigenen Möglichkeiten wertzuschätzen und neue Perspektiven aufzuzeigen.“ Durch temporäre Projekte, die regelmäßig wieder neu aufgelegt werden, werde die Auseinandersetzung mit der Bildenden Kunst im ländlichen Raum direkt ermöglicht. Auch Anna Lamprecht, Geschäftsstellenleiterin der Braunschweigischen Landschaft, stellt heraus: „Dieses Pilotprojekt könnte in diesem Sinne auch auf andere Orte im Gebiet der Braunschweigischen Landschaft übertragen werden.“