Vor einem guten halben Jahr haben wir auf dem Rittergut Lucklum den Startschuss für die Bio-Landwirtschaft gegeben. Seitdem stellen wir den Betrieb auf ökologischen Landbau um. Wie das funktioniert und wo wir stehen? Darüber haben wir mit Mauritz von Grundherr gesprochen, der den neuen Bereich bei uns leitet.
Das Rittergut Lucklum stellt derzeit auf Bio-Landwirtschaft um
Startschuss im vergangenen Sommer für die Bio-Landwirtschaft. Jetzt könnte man glauben, dass es schon in diesem Jahr die erste Bio-Ernte gibt. Wie ist der Status Quo?
Mauritz von Grundherr: Ja, das wäre wünschenswert, aber leider muss man viel Geduld mitbringen. Es gibt exakte und umfangreiche Vorschriften dafür, unter welchen Voraussetzungen Produkte als Bio-Ernte verkauft werden dürfen. Die Umstellungsphase dauert zwei Jahre, in dieser Zeit werden nur Futtermittel produziert. Bei den Lebensmitteln dauert es noch länger: Erste, für den Verzehr geeignete Produkte wird es aus Lucklum frühestens Mitte 2022 geben.
Was passiert denn derzeit auf den Feldern, die das Rittergut in und um Lucklum herum bestellt?
Mauritz von Grundherr: Wir wirtschaften schon voll nach ökologischen Richtlinien. Getreide aus der Umstellungsphase darf allerdings nur in den Tiermagen gelangen. Alles, was wir in diesem Jahr ernten, wird daher als Futtermittel verwendet. Dazu gehören derzeit Erbse, Ackerbohne, Weizen, Mais, Kleegras und die durchwachsene Silphie. Die Ernte werden wir dann zum Teil auf dem freien Markt als ökologische Futtermittel anbieten, aber auch unseren eigenen Rindern in kleinen Mengen verfüttern. Einen weiteren Teil verwerten wir in einer Biogasanlage. Dort werden wir unter anderem Dünger für den eigenen Betrieb produzieren, der natürlich auch ökologische Kriterien erfüllen muss. Und wir erzeugen Strom. Das alles entspricht auch der Idee eines geschlossenen betrieblichen Nährstoffkreislaufs. Futter und Nährstoffe soll so weit wie möglich der eigene Betrieb liefern.
Auf Pflanzenschutz mit chemisch-synthetischen Mitteln sowie auf mineralische Düngemittel wird in der Bio-Landwirtschaft ja verzichtet? Wie kann man unerwünschte Beikräuter denn bekämpfen?
Mauritz von Grundherr: Gegen Beikräuter gehen wir mit Hilfe einer ausgewogenen Fruchtfolge und einer sorgfältigen Bodenbearbeitung vor. So kommen bei uns unter anderem Hacke und Striegel zur direkten mechanischen Beikrautregulierung zum Einsatz. Trotzdem werden die Felder einen Anteil an Beikräutern haben; das ist auch zu tolerieren, da wir bis zu einem bestimmten Maß Vielfalt benötigen. Unsere neue Rollhacke entfernt nur das Beikraut, das neben der Hauptkultur steht. Sie reißt aber nicht nur unerwünschtes Grün heraus, sondern belüftet auch den Boden. Bei der Bodenbearbeitung mit mechanischen Geräten ist Vorsicht geboten: Man muss den Einsatzzeitpunkt exakt auf die jeweilige Pflanze, ihre aktuelle Wachstumsphase und die Bodenverhältnisse abstimmen. Der neue Zinkenstriegel dagegen kommt unter anderem zur Nachbearbeitung des Bodens nach Einsatz der Rollhacke in Frage. Unter Umständen ist er aber auch alleine im Einsatz – hier braucht man viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, um die Geräte so einzusetzen, dass sie den optimalen Nutzen bringen.
Bio-Landwirtschaft und High-Tech – passt das eigentlich auch zusammen?
Mauritz von Grundherr: Sehr gut sogar! Bestes Beispiel ist unsere Reihenhacke. Sie bearbeitet millimetergenau die Reihen zwischen den Kulturen. Ein kameragesteuerter Sensor stellt sicher, dass kleineste Abweichungen von der Reihe sofort ausgeglichen werden über eine automatische Verschiebung der Hacke nach links oder rechts. Natürlich benötigt man für die Reihenhacke – wie auch für die anderen Geräte – einen besonderen Traktor, damit die Kulturen keinen Schaden nehmen. Bei uns auf dem Rittergut wird voraussichtlich ab März ein entsprechendes Testgerät namens Transformer von der Firma Horsch zum Einsatz kommen. Ebenso sind wir Teil eines Projektes des Landkreises, welches die Digitalisierung in der LWS voranbringen soll. Dabei wird das 5G Netz implementiert. Das geschieht in Zusammenarbeit mit dem Landkreis, der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Domäne Schickelsheim.
Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, die Pflanzen zu unterstützen und zu schützen?
Mauritz von Grundherr: Wir stärken pflanzeneigene Abwehrkräfte und unterstützen natürliche Regulationsmechanismen. Zum Beispiel durch eine standortangepasste Arten- und Sortenwahl, eine zeitgerechte Bodenbearbeitung und eine ausgewogene Düngung. Mit der richtigen Fruchtfolge etwa kann man schon im Vorfeld dafür sorgen, dass weniger Beikräuter wachsen. Ein Beispiel ist Kleegras: Es bedeckt den Boden weitestgehend und wird häufiger geerntet. Das wiederum schwächt die Beikräuter, nicht aber das Kleegras selbst. Darüber hinaus verwenden wir Pflanzenstärkungsmittel auf ökologischer Basis, in denen unter anderem bestimmte Spurenelemente enthalten sind. Sie werden übrigens auch mit einer Spritze auf den Acker gebracht. Wer also in nächster Zeit auf einem unserer Flächen einen Trecker sieht, der Spritzmittel ausbringt, dann handelt es sich dabei keinesfalls um chemische Pflanzenschutzmittel. Als Dünger verwenden wir übrigens Nährstoffe aus einer Biogasanlage.
Wie sehen die langfristigen Ziele des Rittergutes im Bereich Bio-Landwirtschaft aus?
Mauritz von Grundherr: Neben der Erzeugung von Futtermitteln für die Tierhaltung möchten wir später einmal Bio-Produkte für den lokalen und regionalen Markt produzieren. Denkbar sind Kartoffeln, verschiedene Gemüse und auch Obstsorten sowie Eier, die wir dann direkt auf dem Rittergut oder auch in der Region anbieten werden.
Ein anderes Themenfeld, das wir weiter entwickeln möchten, ist die Tierhaltung. Unsere Idealvorstellung wäre es, Tiere im Sinne einer symbiotischen Landwirtschaft zu halten. Dabei leben verschiedene Arten zum gegenseitigen Nutzen zusammen. Auch die Haltung alte Tierrassen können wir uns vorstellen. Das sind aber langfristige Ziele Wir möchten alles nach und nach entwickeln. Erst einmal konzentrieren wir uns auf die Umstellung des Betriebs. Und freuen uns, wenn wir in diesem Jahr eine erste ökologische Futtermittelernte einfahren können!