Man hat sie überraschend zur Präsidentin eines wichtigen kirchlichen Gremiums gewählt. Sie scheint überrascht. „Ich bin erst ganz kurz dabei, war lange Jahre im Ausland. Ich kenne mich noch gar nicht aus, aber ich wurde gefragt und sofort gewählt.“ Ich bin neugierig: „Wo waren Sie denn?“ „In Namibia“, sagt sie, „ich habe für eine Stiftung eine Krankenstation für die Buschleute aufgebaut.

Die Buschleute sind nichts wert… Zum Glück sah das jemand anders

“Mit Anfang 20 habe ich Deutschland verlassen und ich war mir sicher, ich komme nie wieder zurück.“ Sie kommt aus einer „frommen“ Familie. Ich frage sie: „Wie war das für Sie, haben Sie sich von Gott gerufen fühlt?“ Sie überlegt: „Nein, das kann ich so nicht sagen. Aber als ich in Namibia aus dem Flugzeug stieg, da dachte ich, jetzt komme ich nach Hause.“

Die San – eine der ältesten Kulturen der Welt
Später lese ich nach: Die Buschleute, auch San genannt, sind eine der ältesten Kulturen der Welt. Und doch leben sie in Namibia unter menschenunwürdigen Verhältnissen: Sie verdienen im Durchschnitt nicht mal einen Euro im Monat für eine ganze Familie. Es gibt kein fließendes Wasser, Familien leben mit mehreren Kindern auf ein paar Quadratmeter in Hütten aus Müll und es gibt keine Versorgung für sie. Tuberkulose und HIV sind weit verbreitet, ebenso Alkoholismus. Viele Menschen leiden unter Unterernährung, Durchfallserkrankungen, Würmern und Infektionen.

„Die Buschleute sind nichts wert,“ sagt sie. „Wenn von Ihnen jemand stirbt, dann heißt es achselzuckend: Na und, er war doch nur ein Buschmann. Der Mann, der das Land und die Krankenstation für die Buschleute gestiftet hat, der sah das anders. Als er starb, holte mich seine Witwe nach Namibia. Sie war mehrmals in Deutschland gewesen und meinte, ich täte ihr gut und sicher auch den Menschen dort. Ich war Krankenschwester. Aber in Namibia, da werden sie hineingeworfen und dann tun sie einfach, was nötig ist. Zehn Jahre bin ich dort geblieben. Am Ende konnten die Buschleute, die in der Station arbeiteten, die OP´s erstklassig vorbereiten, Ich habe nur noch operiert. Das ginge so in Deutschland gar nicht.

Kleine Tricks für den guten Zweck
Wir waren gut ausgestattet. Immer mal wieder wurden wir von Touristen besucht. Und was die alles dabei hatten, war unglaublich: Antibiotika aller Art, die wir gezielt einsetzen konnten, medizinisches Besteck… Ein Zahnarzt aus Deutschland reiste mit einem Koffer an, einer mobilen Behandlungseinheit, die er allerdings wieder mit nach Hause nehmen mußte. ‘Ich schenke Sie ihnen,’ sagte er, ‘aber ich darf sie nicht einfach hierlassen. Ich muß sie wieder mit nach Deutschland nehmen und Sie müssen sie nach Namibia zurückbringen.’ Ich habe den Koffer aus Deutschland abgeholt, in einem Sack eingenäht, im Handgebäck geschmuggelt. Am afrikanischen Zoll haben sie mich beiseite genommen. Bevor sie mein ganzes Handgepäck durchsuchen konnten, habe ich mein Flügelhorn ausgepackt und Musik gemacht. In Namibia liebt man Musik. Danach hat niemand mehr nach meinem Gepäck gefragt.“

Sie lächelt. „Warum sind Sie zurückgekommen nach Deutschland“, frage ich sie fasziniert?
„Der Liebe wegen“, sagt sie und lächelt wieder.
Kommen und Gehen, der Liebe wegen. Schön!

Bleiben Sie behütet,
Ihre und Eure Inka Baumann,
Gutspfarrerin

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