Da staunten die Studierenden des Seminars „Bauen im Bestand“ der TU Braunschweig in Lucklum nicht schlecht, als Dr. Arne Paysen, Schmied und Denkmalpfleger aus Schleswig-Holstein, eine mobile Schmiede vom Anhänger seines alten Transportes hob und auf dem Gelände des Rittergutes aufbaute. Die Verbindung von Theorie und Praxis ist denn auch ein Kernanliegen dieses Seminars. Im Sommersemester 22 war die um 1880 errichtete Schmiede im Kleinen Wirtschaftshof des Rittergutes das Untersuchungsobjekt.
Studierende der TU Braunschweig untersuchten die historische Schmiede
32 Studierende des Bauingenieurwesens wie der Architektur erforschten von April bis Juli in sechs Arbeitsgruppen das Objekt vor Ort – mit Zollstock, Bleistift und Zettel wie mit technischen Geräten beispielsweise mit Laserscans oder im Labor der Technischen Hochschule. Die Arbeitsweise des Schmieds erläuterte auf Einladung des Instituts für Tragwerk und Bauwerkserhaltung (ibt) an einem Seminartag zudem Arne Paysen, Experte für historische Handwerkstechniken sowohl mittels Vortrag wie auch „live“. Während des Anfeuerns der Steinkohle erklärte er Gerätschaften wie Amboss, Zangen oder Hammer wie auch Schmiedetechniken, um sie dann praktisch vorzuführen. So schmiedete er in Sekundenschnelle einen Nagel, führte Materialproben durch und demonstrierte die Herstellung von Lochstanzungen.oder den Schlag mit dem großen Vorschlaghammer.
Schmied – ein traditionsreicher Beruf
Die Teilnehmer dieses besonderen Tages auf dem Rittergut Lucklum erfuhren zudem: Der Beruf des Schmieds ist einer der ältesten der Welt und seine historische Bedeutung ist – u.a. bei der Kriegsführung – nicht zu unterschätzen. Viele heutige Berufe wie Heizungsinstallateur oder Zerspannungsmechaniker sind auf den Schmied zurückzuführen – wie auch Bereiche des Bauingenieurwesens. Die Studierenden nahmen viele Hinweise für die Schmiede in Lucklum mit: So diente eine Esse dem Biegen von Metallreifen für landwirtschaftliche Fahrzeuge.
Sechs Arbeitsgruppen – viele Anforderungen
Während einer Abschlusspräsentation Ende Juli im Rittersaal wurden die bisherigen Erkenntnisse auf den Gebieten der Baugeschichte, der Vermessung, des Holztrag- und Mauerwerks, der Bautechnikgeschichte, mineralischer Baustoffe und des Brandschutzes vorgestellt und diskutiert. Ein Raunen ging beispielsweise durch den Saal als die Gruppe Brandschutz die heutigen Anforderungen visualisierte. Angesprochen wurde welche technischen und ästhetischen Möglichkeiten es – in Abstimmung mit der Denkmalpflege – für den vorbeugenden Brandschutz bei denkmalgeschützten Gebäuden gibt.
Wichtige Bauaufgabe „Bauen im Bestand“
Im Bauwesen verschieben sich – so Professor Klaus Thiele und Dr. Sebastian Hoyer vom Institut für Bauwerkserhaltung und Tragwerk – die Aufgaben zunehmend vom Neubau zum „Bauen im Bestand“. „Durch die Alterung bestehender Bauwerke und neue Anforderungen an die Bauten wie Nutzungsänderungen, Zeitmoden und gewandelte Ansprüche an Ausstattung und Energieeffizienz, haben Strategien zur Erhaltung beziehungsweise Ertüchtigung von Bauwerken erheblich an Bedeutung gewonnen.“ (www.bauwerkserhaltung.tu-braunschweig.de). Für ein so großes unter Denkmalschutz stehendes Ensemble wie das Rittergut Lucklum trifft dies natürlich insbesondere zu. Von daher freut sich das Rittergut Lucklum über diese seit 2019 bestehende Kooperation mit dem Seminar „Bauen im Bestand2 und profitiert von den vielen Augen und Köpfen, die sich intensiv mit einem Objekt auseinandersetzen.
Fotos: ibt S. Hoyer 2022